John Robinson beim Line-Dance-Weekend Nr. 8 in Gardelegen am 24. und 25. Oktober 2014

GARDELEGEN, eigentlich der Name der Hansestadt im Bundesland Sachsen-Anhalt, hat sich für viele Vollblut-Linedancer als Name für das Event von DJ Henry etabliert, das man am 3. Wochenende im Oktober nicht verpassen darf. Viele der Teilnehmer sind jedes Mal dabei, ob an Ostern, Pfingsten oder im Oktober. Wer es auch mal kennenlernen möchte, wird es nicht einfach haben, ein Hotelzimmer zu finden, weil die wenigen Hotels und Pensionen gleich wieder ausgebucht sind, bevor die Leute heimfahren. Das Wochenende beginnt am Freitag um 19 Uhr, wenn die Gäste so nach und nach aus Berlin, Magdeburg, Usedom, Kiel, Leipzig, Halle, Dresden, aus der Umgebung von Kassel, aus Peine und sogar aus Bamberg eintrudeln. Dieses Jahr wurde es im Oktober richtig spannend, denn Henry hatte sich tatsächlich getraut, dem Rat seiner Freundin Gudrun zu folgen, und einen weltweit bekannten Linedance-Choreographen und Teacher einzuladen: John Robinson aus den USA.

Nun, „weltweit bekannt“, trifft wohl nicht auf Deutschland zu. Wer ist denn nun dieser John Robinson, haben sich außer mir bestimmt noch viele andere gefragt. Erst im Laufe des Abends wurde mir klar, dass John einer der Choreographen des Tanzes „Slow Burn“ ist. Es gibt keine Party ohne diesen Tanz. Er war für mich persönlich im Jahr 2004, als er um die Welt ging, eine sehr große Herausforderung. Ich hatte erst im Jahr davor mit Linedance begonnen und war eigentlich von der Choreographie überfordert. Trotzdem haben wir uns durchgebissen, denn diesen Tanz wollten wir können. Ich bin nun sehr froh, eines der Gesichter zu diesem Tanz zu kennen. Auch seine Tänze „Hot Potato“ und „Hootanney“ haben sich bis Deutschland durchgesprochen. Leider hatte ich vor dem Event keine Zeit, diese Informationen auf YouTube oder auf John‘s Home Page zu recherchieren und das war vielleicht gut so. Ich hätte sowieso nicht viel gefunden, weil John grundsätzlich nicht dafür ist, Demovideos seiner Tänze auf YouTube einzustellen. Ich vertraute auf die Wahl von Gudrun. Sie hatte ihn schließlich 2012 beim Besuch vom LD-Event in Tampa Florida live erlebt und ihn schätzen gelernt. Trotzdem war ich sehr überrascht über diesen Mann und Tänzer, der da etwas müde von der langen Reise und dem Jetlag in Gardelegen zum ersten Mal ein Event in Deutschland mitgestaltete.

John Robinson
John Robinson

Nicht sehr groß aber von schlanker Statur, nicht mehr ganz so jung, sehr kurze, dunkle Haare mit ein paar grauen drin und eine Brille im Gesicht, sieht er eher durchschnittlich aus. Wenn man ihm dann jedoch das Feld vor der Gruppe überlässt, dann ändert sich alles: er sprüht vor Energie, er tanzt dynamisch und mit viel Ausdruck, er bewegt sich als ob das Alter nicht zählt, er fühlt und lebt die Musik und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Das alles wirkt überhaupt nicht aufgesetzt sondern total natürlich. Mancher war wohl etwas „schockiert“ und dachte im Stillen oder sagte es sogar laut, dass der doch zu aufgedreht sei. Das darf man im ersten Schritt durchaus denken, aber im 2. Schritt kann man erkennen, dass hier ein Linedancer steht, der uns allen die Freude am Tanzen leicht macht, dem nichts Wichtiger ist, als den Spaß am Tanzen vorzuleben und zu vermitteln.

Um John näher kennenzulernen, habe ich ihn um ein Gespräch gebeten, das dann am Samstag auch möglich war. Hier die Kurzfassung dessen, was ich über ihn in Erfahrung bringen konnte. John ist 47 Jahre alt. Ein Elternteil stammt aus Puerto Rico, was mal gleich den Hüftschwung erklärt, den er so natürlich zur Schau stellt. Er lebt in einem kleinen Ort im Bundesstaat Indiana ca. 1 Stunde von Indianapolis entfernt, im sog. Mittelwesten der Vereinigten Staaten von Amerika. Er lebt dort zufällig, genießt aber die Zurückgezogenheit des Ortes, weil er sehr viel Zeit seines Lebens in Hotelzimmern auf der ganzen Welt verbringt. Erst im Alter von 26 Jahren (1993) hat er, wie die meisten von uns, unabsichtlich Linedance kennengelernt. Eine Freundin nahm ihn in einen Club mit, weil sie Linedance ausprobieren wollte. Die Freundin hatte schnell genug von diesem Sport, während er schon an der Angel hing und gar nicht mehr losgemacht werden wollte. Kurze Zeit später stand er als Teacher vor der Klasse, in der er selbst die ersten Schritte gelernt hatte. 1994 unterrichtete er bereits 5 x in der Woche Linedance und war auch Paartanzlehrer. Da er ein talentierter Tänzer ist, eröffneten sich bald die ersten Chancen, auch in die Welt des Turniertanzens einzusteigen. Von 1994 bis 2001 gewann er mehr als 40x 1. Plätze auf Meisterschaften des USWDCs, das ist der amerikanische Country&Western Tanzsportverband, darunter auch den sehr begehrten Titel „Superstar“. John verriet mir im Interview, dass er all diese Erfolge aus eigener Kraft erzielte. Er nahm nie Tanzunterricht bei einem Profi oder bei einem bereits erfolgreichen Turniertänzer. Er ist der geborene Tänzer, der sein Können und seine Erfahrungen an Turniertänzer und -tänzerinnen weitergibt. Dass sich John auch in der Szene der Linedanceprofis einen guten Namen erarbeitet hat, kann man daran sehen, dass er 2008 in die „Hall of Fame“ aufgenommen wurde. In die „Hall of Fame“ wird man von den Personen, die bereits Mitglieder dieses erlesenen Kreises sind, gewählt. Die Ehrung erfolgt jedes Jahr bei den Crystal Boot Awards in Blackpool.

1997 hat John Robinson sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Seine Hauptbeschäftigung besteht darin, auf größeren und kleineren Events als Teacher tätig zu sein. Wer seinen Tourenplan angeschaut hat, der als Flyer auf den Tischen in Gardelegen auslag, konnte feststellen, dass er jedes Wochenende in einem anderen Bundesstaat der USA ist. Er ist auch regelmäßig in Canada und manchmal auch in Europa. In Deutschland war er an diesem Wochenende im Oktober zum ersten Mal. Ich glaube es hat ihm in Gardelegen gefallen und er hat sich gefreut, dass er für 2016 wieder eingeladen wurde.

John Schmuckstand
Johns Schmuck

Wahrscheinlich reicht das Geld, das man als Teacher verdienen kann, nicht ganz aus. Aus diesem Grund hat sich John eine weitere Einnahmequelle geschaffen. Er verkauft keine T-Shirts mit seinem Logo oder Design, wie viele seiner weiblichen Kolleginnen. Er verkauft selbst gemachten Schmuck: Armbänder, Ohrringe, Ketten und Ringe mit sehr ansprechenden Motiven und unterschiedlich gestaltetem Bezug zum Tanzen oder zur Countrymusik. Nach Gardelegen hatte er Armbänder aus Perlen in den deutschen Nationalfarben mitgebracht. Ich habe nicht lange gefackelt und mir 2 unterschiedliche Armbänder gekauft. Ich glaube, dass viele andere auch zugeschlagen haben. Er war jedenfalls sehr oft an seinem kleinen Stand. Bestimmt haben viele die Gelegenheit genutzt, ihn im Gespräch über den Schmuck noch auf dieses oder jenes anzusprechen.

Johns Workshops

Am Freitagabend gab es nur einen Workshop:

3 Rounds, 32/4 Improver, vom Oktober 2014, Musik: Drink Drink Drink von Josh Thompson.

Die gewählte Musik war wie ein Vorbote für das, was am Abend noch folgte. John verliebte sich nämlich in ein für ihn neues Getränk. Er kostete zum ersten Mal in seinem Leben Kümmerling und bekam im Laufe des Abends noch einige davon angeboten. Schnell war ein neuer Name für ihn gefunden. Er konnte am Montag mit Titel „Mr. Kümmerling“ die Heimreise antreten. Mr. Kümmerling_FB HenryDie Musik von „3 Rounds“ gehört eindeutig zur Kategorie Countrymusik. Mit dieser Musikrichtung ging es auch am Samstag fast immer weiter. Ich habe ihn nach dem Grund dafür gefragt. Ich verbinde nämlich mit Gardelegen, dass hier sehr viel Non-Country getanzt wird. Seine Erklärung hat mit Gardelegen selbst nichts zu tun und ich hoffe, dass ich ihn richtig verstanden habe: er hat bis auf einen Tanz immer Tänze auf Countrymusik unterrichtet, weil er findet, dass Tänze auf Non-Country einen zu großen Anteil hatten auf den Events, an denen er in der letzten Zeit teilgenommen hat. Eigentlich mag er jede Art von Musik. Als Anhängerin der Non-Country-Tänze finde ich es etwas schade, dass er diese Entscheidung getroffen hat.

Seine Workshops am Samstag waren:

See You Tonite, 32/4 Improver WCS, Musik „See You Tonight“ von Scotty McCreery

Jordin’s Step, 32/4 Improver WCS von Keith Stewart aus Nordirland, Musik “One Step At A time” von Jordin Sparks, den man auch funky tanzen kann.

Show Me What You Are Workin’ With, 32/4 Intermediate, Musik: gleichnamiger Titel von Toby Keith

Dust, 32/4 brandneuer Intermediate von John, Musik: gleichnamiger Titel von Eli Young

Let’s Have A Party!, 64/4 Improver von Rachael McEnaney, John Robinson und Jo Thompson Szymanski, Musik: gleichnamiger Titel von Scooter Lee.

Von diesen sieben Tänzen gefällt mir – wen wundert’s? – “Jordin’s Step” am besten. Ich finde es sehr schön, dass John mit diesem Tanz einen Tanz verbreitet, der aus der Feder eines Newcomers in der Szene der Choreographen stammt. John unterrichtet sehr oft auch die Tänze anderer Choreographen. Er erzählte mir im Interview, dass er vor Jahren mit seinem Unterricht für das Bekanntwerden von Ria Vos in den USA gesorgt hat. Wenn man seine Tourliste anschaut, kann man sich das gut vorstellen. Gudrun hat schon angekündigt, dass sie einige von Johns Tänzen unterrichten wird. Ich finde dieses Vorhaben sehr gut. Es sollen sich doch gute Tänze verbreiten. Dass geht nur, wenn man sie auch mehr als nur 1x unterrichtet. John ist hier ein Vorbild. Er teacht viele Tänze über eine längere Zeit und schafft so, dass gemeinsames Tanzen möglich ist.

Trotz der schon erreichten Länge von diesem Bericht, möchte ich noch auf eine echte Besonderheit an John Robinson eingehen. Ich möchte jedem Tänzer, jeder Tänzerin empfehlen die Videos, die Uwe Schneider von allen Workshoptänzen auf YouTube eingestellt hat (sind oben mit dem Tanznamen verlinkt; leider sind die meisten gesperrt), anzuschauen. John machte vor dem Tanzen nach Musik, immer eine kleine Demo. Hierfür forderte er die Teilnehmer auf, sich im Kreis aufzustellen. Es war nicht nur lustig sondern auch sehr lehrreich, wenn er erst zeigte, wie die emotions- und phantasielose Version ausschaut und was man / er aus der Choreographie macht, wenn Körper und Freude zum Einsatz kommen. Ich glaube, wir können uns fast alle eine Scheibe davon abschneiden. Interessant fand ich auch, dass er beim Unterricht nicht wie üblich jede Wand für sich unterrichtet hat, sondern dass er nach den ersten 8 – 16 Counts schon diese Schritte auf den anderen drei Wänden mit uns geübt hat. Es würde mich interessieren, ob die Teilnehmer damit zurechtgekommen sind und ob es ihnen das Erlernen der anderen Seiten erleichtert hat.

Nach John kam auch Gudrun Schneider zum Zug. Sie hat am Samstag 2 Tänze anderer Choreographen unterrichtet:

Cecilia, 32/4 Improver von Willie Brown & Heather Barton aus Schottland, zum Remake des Oldies „Cecilia (breaking my heart)“ von The Vamps ft Shawn Mendes, derzeit auf Platz 5 der Top Ten bei Copperknob.

Prayer in C, 64/4 Intermediate von Francien Sittrop zu der gleichnamigen Musik von The Prick & Robin Schultz.

Die Musik und dieser Tanz haben mir besonders gut gefallen: mein Favorit des Wochenendes 🙂

Zu Beginn der Wunsch-Line-Dance-Party am Abend gab es noch einen Überraschungsworkshop, den ich leider verpasst habe. Gudrun und John unterrichteten zusammen ihren gemeinsamen Tanz:

Your First Name, 32/4 Improver, Musik: People Know You By Your First Name von Dean Brody.

2 DJs und 2 LD-Instructors_FB Henry_verkleinert
Henry, John, Gudrun, Jimmy

Mein persönliches Fazit:

Für mich hat sich die bundesländerübergreifende Bedeutung vom Linedance-Event in Gardelegen bestätigt. Ich war wieder fasziniert, dass hier so viele Tänzer und Tänzerinnen aus so vielen verschiedenen Ecken zusammenkommen, um Linedance zu zelebrieren. Das Repertoire der gemeinsamen Tänze ist wirklich sehr breit. Es umspannt Country und Non-Country und jedes Level zwischen Improver und Advanced. Man kann sehr aktuelle Tänze sehen (z. B. The Other Side (Wow Hawaii)) und die schönsten Oldies mittanzen(z. B. Head Phones). Die Teilnehmer kennen sich gut untereinander, zumindest vom Sehen, denn sie hängen mit großer Treue an diesem Event. Ich finde es wichtig, dass sich Linedancer regelmäßig auf einem solch großen Event treffen. Hier können sie neue aktuelle Tänze lernen und diese weitertragen. Dass für die Workshops Choreographen mit internationalem Ruf eingeladen werden, zeigt dass sich das Event auf noch breitere Füße stellt.

Für Oktober 2015 wurde Roy Hadisubroto eingeladen. Wer es noch nicht weiß, dem sei gesagt: der Mann kann auch sehr gut tanzen!!!!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert