22. Crystal Boot Awards am 27.01.18 in Blackpool, England
Die Verleihung der Crystal Boot Awards – die Oskar-Verleihung des Linedance – fand gestern Abend wie jedes Jahr in Blackpool statt. In diesem Bericht geht es nur um diesen Abend und nicht das ganze Event, das am Freitag beginnt und am Sonntagabend endet. Dieser Abend war voller Emotionen und Freude für die Gewinner.
Ich habe die Zeremonie vom Sofa aus zusammen mit Freundinnen angeschaut und das war schon die erste Sensation. Die Übertragung war dieses Jahr perfekt und kostenlos. Die anfänglichen Probleme mit dem Ton waren hausgemacht und ließen sich zum Glück rechtzeitig lösen. Wir haben also alles sehr gut gesehen – perfekte Bildübertragung durch IBM – und gehört. Wir konnten mitfiebern, wenn die einzelnen goldenen Umschläge geöffnet wurden und haben die Showacts genossen. Letztes Jahr war all dies überhaupt nicht möglich. Das Bild stand unentwegt und am Ende wussten wir gar nicht, wer was gewonnen hatte.
Persönlichkeiten
Der Abend begann mit der Verleihung von Crystal Boots an Personen für besondere Leistungen.
The Irene Crossley For The Love Of Dance Award: Charlie & Aileen Jamieson
Dedicated Dance Artis: Richard Palmer
Dedicated Dance DJ: Gary Lafferty
Male Personality: Gary O’Reilly
Female Personality: Maddison Glover
UK Instructor: Fred Whitehouse
UK Choreographer: Tina Argyle
International Instructor: Gary O’Reilly
Int Choreographer: Gary O’Reilly
Outstanding Achievement: Rob Fowler
Hall Of Fame: Simon Ward
Die ersten drei Kategorien sind für die Tänzer in UK interessant. Betty Drummond hat den Preis „For The Love of Dance Award“ ihrer verstorbenen Freundin Irene Crossley gewidmet. Irene hat sie vor mehr als 20 Jahren zum Linedance gebracht. Mit diesem Preis werden Personen geehrt, die sich durch ehrenamtliche Arbeit verdient gemacht haben. Der „Dance Artist“ ist ein Sänger/Sängerin oder Band, die für Linedancer singen. Der „Dance DJ“ ist klar. In Deutschland kennt man Gary Lafferty eher als Choreograph des Tanzes „All Day Long“, der ja auch bei uns ein Klassiker ist.
Maddison Glover / Female Personality
Rachael McEnaney, die diesen Preis für sich gebunkert hatte, kann schon seit 2 Jahren nicht mehr nominiert werden. Danach waren es 2015 Jo Thompson- Szymanski und letztes Jahr Ria Vos. 2017 ist aber die Zeit der Maddison Glover angebrochen. Sie wird ganz offen von Simon Ward und Rachael „protegiert“. Ich habe das Wort in Anführungszeichen gesetzt, weil es nicht negativ gemeint ist. Maddison ist eine sehr charmante junge Tänzerin mit Stil, die in ihrem Auftreten Rachael ähnlich ist. Sie wirkt locker und offen. Sie motiviert mit Körpersprache und Stimme in ihren Workshops. Ich persönlich mag nicht so viele ihrer Tänze, aber „Twist und Turns“ ist einer meiner All-Time-Lieblingstänze. Dass sie den Preis bekommt, war von uns vorher mehrheitlich vorausgesagt worden und wir finden, dass sie ihn verdient.
Fred Whitehouse / UK Instructor
Fred hat diesen Preis schon letztes Jahr bekommen. Sein Unterricht ist klar strukturiert, und seine Tänze öfters auch schwierig. Mir gefallen viele davon. Er ist auch ein exzellenter Tänzer. Als solcher ist er Teil der Tanzgruppe „Country Vive“, die im Laufe des Abends einen atemberaubenden Auftritt hinlegte.
Tina Argyle / UK Choreographer
Wie beim UK Instructor kann für diesen Crystal Boot nur eine Person aus dem Vereinigten Königreich gewählt werden. Tina hatte mit Dee Musk, Fred Whitehouse, Karl-Harry Winson, Kate Sala und Neville Fitzgerald und Julie Harris international sehr bekannte Konkurrenz. Tina choreographiert sehr erfolgreich leichtere Tänze und mit dem Boot für „Champagne Promise“ kann sie dieses Jahr mit 2 Crystal Boots nach Hause fahren.
Gary O’Reilly / Male Personality – International Choreographer – International Instructor
Wir waren uns vorher zu 100% einig, dass Gary O’Reilly der große Gewinner dieses Events sein würde.
Alle, die Gary schon mal auf einem Event erlebt haben, können fast nicht anders denken. Er hat alles und kann alles, was man braucht, um ein sehr erfolgreicher Choreograph und Teacher zu sein. Er ist über die Maßen nett. Wenn er mit einem spricht, hat man nie das Gefühl, irgendjemand zu sein. Er verströmt positive Energie und sorgt für eine lockere und freundliche Atmosphäre. Er hat dieses Jahr viele Tänze geschrieben, die weltweit getanzt werden. 2017 war für ihn ein sehr verrücktes Jahr. Er ist in viele Teile der Welt eingeladen worden, weil alle ihn erleben möchten. Er hat inzwischen eine kleine Firma gegründet, weil er nicht mehr alles selbst organisieren kann. Im August wird er erst 30 Jahre alt. Ich wünsche ihm, dass er mit dem Tempo, in dem sich sein Leben bewegt, weiterhin gut zurechtkommt. Nach Blackpool hat er seine Mutter mitgebracht, die mit ihm auf der Bühne stand. Die Familienbande und die Gruppen in seiner Heimat Irland sind im sehr wichtig.
Simon Ward / Hall of Fame
Jedes Jahr wird von denjenigen, die schon in der Hall of Fame sind, die Person gewählt, die neu beitreten darf. Dieses Jahr fiel die Wahl auf Simon Ward. Für die meisten Linedancer ist diese Wahl, glaube ich, nicht so wichtig. Das Gegenteil ist für die Person selbst der Fall. Es ist die Bestätigung, dass man zur Elite des Linedance gehört, natürlich immer aus der Sicht der Personen, die wählen. Besonders an der diesjährigen Wahl ist Simon Ward. Er ist auch schon seit über 20 Jahren im Geschäft. Er fing mit 19 Jahren das Tanzen an. In einer sehr emotionalen Ansprache hat er mit vielen Tränen in den Augen erzählt, dass er sich als junger Mann als Looser fühlte und dass ihn das Tanzen gerettet habe. Es gibt ihm die einmalige Chance, sich so auszuleben wie er ist. Er fühlt sich sehr stark mit Rachael McEnenay-White verbunden und liebt den Rückhalt, den er durch die Linedance-Community erfährt.
TÄNZE
Im zweiten Teil des Abends kommen die goldenen Umschläge für die Tänze. 8 verschiedene Kategorien gibt es heute. 1996 fing es mit 1 Kategorie „Tanz des Jahres“ an und „Black Coffee“ erhielt die Auszeichnung.
Seitdem hat sich unzweifelhaft viel verändert.
AB Beginner: Oh Carol, Okt 17, von Roy Verdonk/Jonas Dahlgren/Jef Camps
Beginner: Champagne Promise, März 17, von Tina Argyle
Improver: Lonely Drum, Juni 17, Darren Mitchell
Intermediate: Perfect, März 17, Alison Johnstone/Josh Talbot
Advanced: Run Me Like A River, März 17, G. Richard/J. Camps/Jo Kinser/John Kinser/R. Verdonk
Wild Card: Hurts Like A Cha Cha, Okt 17, S. Ward/D. Trepat/F. Whitehouse
Iconic: The Beast, 199?, Rob Fowler
Dance of the year: Lonely Drum, Juni 17, Darren Mitchell
Oh Carol / AB Beginner
Es waren in dieser Kategorie etliche echt alte Tänze nominiert, z. B. Skinny Genes von Pat Stott und Ah Si von Rita Masur. Ich weiß nicht, woran dies liegt. Offenbar gibt es keine Regel für das Alter der Tänze, die nominiert werden können. Es hat sich dann aber „Oh Carol“ vom Oktober 2017 durchgesetzt. Dieser Tanz hat also nicht lange gebraucht, um sehr bekannt zu werden.
Lonely Drum / Improver und Tanz des Jahres
Wir haben vor der Verleihung unter uns abgestimmt und Lonely Drum war eindeutig der Favorit. Der Tanz hat sich seit seiner Entstehung im Sommer in Windeseile verbreitet und hat eine absolut phantastische Bewertung auf Copperknob.
Das 1. Video, das Maddison Glover zeigt, wie sie den Tanz zusammen mit Darren Mitchell teacht, bringt genau den Spaß rüber, der diese Musik und dieser Tanz uns bereitet und ist eine so schöne Demo von dem Charme, mit dem Maddison ausgestattet ist.
Perfect / Intermediate
Unsere Abstimmung war völlig uneindeutig und keine von uns hatte richtig gestimmt. Es ist die am härtesten umkämpfte Kategorie und wir alle sind uns einig, dass „Perfect“ diese Ehrung voll und ganz verdient. Interessant ist, was Alison Johnstone über die Entstehung des Tanzes erzählte. Josh hatte ihr die Musik vorgeschlagen, weil sie „Rolling 8 counts“ mag => Alison hat zusammen mit Rachael McEnenay-White „Girl Crush“ choreographiert, einen Tanz, den ich absolut liebe! Sie waren zusammen in Perth (Australien) und Josh hatte Pläne, an dem Tag nach Hause zu fliegen. Den Flug um 11 Uhr hat er dann verpasst, weil sie so von der Choreographie von „Perfect“ eingenommen waren.
Run Me Like A River / Advanced
Bei der Wahl dieses Tanzes waren wir uns in unserer kleinen Gruppe wieder total einig. Es waren wieder ein paar ältere Tänze auf der Liste, die es schon letztes Jahr nicht geschafft hatten oder super alt sind, wie „Somebody Like You“. Wir alle hatten auf „Run Me Like A River“ getippt. Jo Kinser erzählte bei der Überreichung des Boot, dass der Tanz für die Geburtstagsparty von José Miguel Belloque Vane im März 2017 entstand. Jo hatte die Musik ausgesucht. Hier der Link zum 1. Teach von diesem Tanz. Auch dieser hat wegen der ungewöhnlichen Musik and der so klasse passenden Choreographie schnell die Welt erobert.
Hurts Like A Cha Cha / Wild Card
Die Kategorie “Wild Card” gibt es erst seit 2017. So bekam letztes Jahr „The Queen“ einen Crystal Boot. Die anderen hatten auf „Clap Snap“ getippt, für mich war „Hurts Like A Cha Cha“ der Favorit. Er steht in allen Hitlisten ganz oben. Die Musik ist auch wieder mal ganz anders. Simon erklärte bei der Übergabe des Crystal Boot, dass sie in Chicago beim Event „Windy City“nur 1 Stunde Zeit hatten, um auf die ihnen vorgegebene Musik für den kleinen Wettkampf USA gegen International einen Tanz zu machen. Die Demo, die dann Simon Ward, Fred Whitehouse und Daniel Trepat vor der Jury getanzt haben, war so überzeugend, dass sie gewonnen haben. Ich finde ihren Vortrag einmalig. Jede Tanzpersönlichkeit kommt so gut raus: Fred der Athlet, Simon mit seinem sehr persönlichen Stil und Daniel der Ästhet. Ich wollte den Tanz unbedingt lernen und war so froh, dass Daniel ihn im Januar in Schwäbisch Hall beim Winterworkshop unterrichtet hat. Daniel konnte die genannten Tanzstile sehr gut imitieren. Wir haben uns sehr amüsiert.
The Beast / Iconic
Dieser Preis ist neu. Betty Drummond hat selbst diesen Preis übergeben, für den es keine Nominierungen gab. Betty erklärte, dass sie diesen Preis an einen Tanz verleiht, der Kult ist. „The Beast“ entstand in den 1990er Jahre. Leider finde ich das Jahr nicht. Wenn ihn jemand weiß, den bitte ich, ihn mir als Kommentar zu schreiben. Rob Fowler erzählte gestern, dass sich zu der Zeit, als der Tanz entstand, in einem Hinterzimmer eine Handvoll von Aktivisten des Linedance trafen. Jemand aus dieser Gruppe brachte ihm das Lied und hat ihn gebeten, einen Kracher zu choreographieren, und das hat er dann auch gemacht. Der Tanz ist gespickt mit Running Mans, Body Rolls und anderen schwierigen Elementen. Er war für die damalige Zeit und ist noch heute eine große Herausforderung für den durchschnittlichen Linedancer. Er ist dagegen heute noch wie damals ein Tanz, in dem sich Jung und Alt überall auf der Welt einem Wettkampf stellen. Es gibt auf YouTube Videos zu diesem Tanz, die kein Jahr alt sind. Der Tanz hat so viel Potential, bitte das Videos vom Jan 2017 anschauen. Es lohnt sich! https://www.youtube.com/watch?v=jaBivh9BScQ
Auch wenn ich jetzt nur über die am Abend vom 27. Januar verliehenen Preise geschrieben habe, ist der Bericht schon wieder lang.
Zum Abschluss daher nur ein kurzes Wort. Das Tanzen im großen Saal finde ich für mich als Zuschauerin meistens sehr langweilig. Man sieht fast keine neueren Tänze oder Tänze, die unbekannt aber interessant sind. Dagegen geht im kleineren Ballroom nebendran ohne Kameraüberwachung die Post ab.
Wer nächstes Jahr dabei sein möchte, müsste schon ein Ticket in der Tasche oder in der Mailbox haben, denn das Event war am Sonntagvormittag schon wieder ausverkauft.